Starke Stimmen von starken Frauen – auch für Olympia und Tennis-Regel-Revolution

Sport kann die Welt verändern, Gesellschaften besser und gerechter machen. Denn Sport kann eine Vorreiter-Rolle einnehmen – für mehr Gleichberechtigung, für Gleichstellung, für Integration von Minderheiten. Aus dem Sport kann auch Aufbruch entstehen, Mut erwachsen – für Veränderungen, von denen alle profitieren. Darum ging es beim Joint-Event „VOICES ON COURT – THE HAMBURG EDITION“ im Rahmen der MSC Hamburg Ladies Open, dem Weltklasse-Damentennisturnier am Hamburger Rothenbaum. Speziell im Fokus stand natürlich auch das Thema Frauensport generell. Denn der ist spannend und wichtig, muss aber noch viel mehr Aufmerksamkeit erfahren. Darin waren sich alle Teilnehmer*innen der hochkarätig besetzten Diskussionsrunde einig. Doch es ging auch um Olympische Spiele, eine Tennis-Regel-Revolution und Elternzeit für Fußballtrainer …

Sandra Reichel ist die Turnierdirektorin der MSC Hamburg Ladies Open. Für sie ist dieses Turnier ein Leuchtturm-Projekt: „Es ist so wichtig, Frauensport in die Welt zu tragen. Frauentennis ist da in einer Vorreiter-Rolle.“

Ob im Sport oder der Wirtschaftswelt. Die Herausforderungen für Frauen im Bemühen um Gleichstellung sind komplex: oft weniger öffentliche Aufmerksamkeit, weniger Verdienstmöglichkeiten, weniger Einfluss durch weniger Frauen in Führungspositionen, Schwangerschaft und Mutterrolle.

Julia Jäkel – als Managerin, Verlegerin und Aufsichtsrätin eine der renommiertesten Führungskräfte der deutschen Wirtschaft – sieht in der noch nicht vollzogenen Gleichstellung der Geschlechter in Sport und Gesellschaft „eine strukturelle Diskriminierung, auf die ich keine Lust habe, sie zu akzeptieren“.

Daher hörte sie gerne, was Maryam Blumenthal – Senatorin, Präses der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung der Freien und Hansestadt Hamburg – zu sagen hatte: „In Hamburg sind mehr Frauen als Männer im Senat. Wir müssen viel machen. Und wir müssen es schnell machen. Und Frauensport-Formate brauchen mehr Aufmerksamkeit und mehr Geld.“

Viel hängt am Geld. Im Tennis war Geld ein ganz zentraler Hebel, dass die Preisgelder der Frauen bei Grand-Slam-Turnieren auf das Niveau des Männer-Preisgeldes angehoben worden sind. Andrea Petkovic, einst Weltklasse-Spielerin und aktuell Turnierbotschafterin der MSC Hamburg Ladies Open, weiß, dass diese Form der Gleichstellung nicht durchweg akzeptiert ist – weil Männer (anders als Frauen) bei den Grand-Slam-Turnieren über drei statt zwei (wie die Frauen) Gewinnsätze spielen.

Daher verriet Petkovic eine spektakuläre Idee, die sie in London Jamie Baker, dem Turnierdirektor in Wimbledon, vorgetragen hat. Petkovic: „Mein Vorschlag ist, dass bei Grand Slams Männer und Frauen in der ersten Turnierwoche über zwei, in der zweiten Turnierwoche über drei Gewinnsätze spielen. Das würde die Preisgeld-Diskussion beenden.“ Eine mutige, eine große Idee.

Aber es braucht Mut und große Ideen für Veränderungen. So machte sich Julia Jäkel auch für Olympische Spiele in Deutschland stark. Hamburg möchte sich bewerben. Jäkel sagt: „Größe und etwas Grandezza im Denken sind gut. Die Spiele in Paris haben gezeigt, wie Olympische Spiele eine Bereicherung für eine Stadt und ein Land sein können.“

Dem pflichtete Katja Kraus bei. Die ehemalige Fußball-Nationaltorhüterin ist Jung von Matt SPORTS Geschäftsführerin und Beiratsvorsitzende von „Fussball kann mehr“. Kraus unterstrich dabei: „Olympia ist ein Monument der Gleichstellung.“

Sie mahnte aber auch an: „Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen.“ So seien im Profi-Fußball zuletzt von 19 Neubesetzungen im Top-Management 18 mit Männern besetzt worden. Dieses Missverhältnis müsse sich ändern. Beim Fußball-Bundesligisten FC St. Pauli sind Frauen in Spitzenpositionen selbstverständlich und Teil der Klub-DNA. St. Pauli-Präsident Oke Göttlich wies generell darauf hin, dass „Betroffenen wieder mehr zugehört werden müsse.“ Egal, ob Frauen, Männer, Minderheiten.

Als Julia Möhn (Fussball kann mehr) mit Senatorin Blumenthal, Jana Meiser (Volleyballerin des Eimsbütteler TV), Springreiterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann und Schauspielerin Anna von Häbler über die Vereinbarung von Schwangerschaft und Mutterschaft mit dem Beruf diskutierte, da wurde klar, wie viel Verbesserungspotenzial es noch gibt.

Im Handeln, in der Gesetzgebung, bei Arbeitgebern – aber auch im gesellschaftlichen Denken. Göttlich räumte ein: „Wenn ein männlicher Trainer im Profifußball Elternzeit nehmen würde, ich weiß nicht, wie groß seine Karrierechancen danach noch wären.“

Damit war er wieder beim Kern. Damit sich Dinge zum Guten bzw. noch Besseren ändern, muss sich das Denken ändern. Und das gilt auch für Tennis am Rothenbaum. Göttlichs Appell war deutlich: „Es muss möglich sein, Frauentennis in Hamburg nach vorne zu bringen.“ Durch Turniere wie die MSC Hamburg Ladies Open. Das ist gut für die Stadt, für den Sport und die Gleichstellung.

Souverän moderiert wurde der Talk von Matthias Killing, dem Stadionsprecher bei den MSC Hamburg Ladies Open. Und der TV-Profi verdeutlichte charmant, dass der Pfad zur Akzeptanz und Gleichberechtigung von Frauen- und Männersport bei ihm daheim schon völlig selbstverständlich beschritten wird. Killing wollte nämlich von der Dienstreise nach Hamburg mit seinem neunjährigen Sohn zuhause telefonieren. Der wimmelte ihn jedoch ab, denn – so Killing – „er sagte, ich störe ihn beim Schauen der Fußball-EM, der EM der Frauen wohlgemerkt.“