Kampf, Krampf, Klasse! Tamara Korpatsch scheitert unvergesslich

Manchmal sind Spiele denkwürdig, weil man sie sich in dieser Form niemals hätte ausdenken können. Daher ist folgende These nicht übertrieben: Wer am Mittwoch bei den MSC Hamburg Ladies Open das Achtelfinale zwischen Lois Boisson und der Hamburger Lokalmatadorin Tamara Korpatsch gesehen hat –  der wird es sich merken. Bis zum 3:1 im dritten Satz aus Sicht von Korpatsch war es einfach nur ein grandios spannendes, hochklassiges Tennismatch. Dann wurde es unvergesslich. Denn Korpatsch sackte verletzt zu Boden, das Gesicht schmerzverzerrt. Minutenlang konnte sie nicht aufstehen. Als sie sich dann erhob, konnte sie kaum laufen, humpelte eher über den Platz. Die Folge: Aufschläge von unten, hohe Bälle, Spielen aus dem Stand. Das alles, um nicht aufgeben zu müssen. Sie hielt durch. Und verlor – zwar wütend und enttäuscht  gleichwohl ehrenvoll: mit 4:6, 7:6 und 4:6.

Es war ein dramatisches Ende eines packenden Tennistages. Korpatsch fand ein wenig Trost im rauschenden Beifall der Fans und sagte: „Es hat mir so viel Spaß gemacht, ich hatte so viel Selbstvertrauen und habe gut gespielt – bis die Krämpfe kamen.“ Los gingen diese schon Ende des zweiten Satzes, dann wurden sie immer schlimmer: „Vor allem in der linken Wade, ich konnte mich kaum noch bewegen. Ich weiß nicht, wo diese Krämpfe plötzlich hergekommen sind.“ Einfach war auch die Situation für Boisson nicht: „Ich bin froh, dass ich gewonnen habe – und froh, dass ich am Donnerstag frei habe.“ Sie wird Kräfte sammeln müssen. Denn sie will den Hamburg-Titel, nachdem sie durch ihren Halbfinaleinzug bei den French Open zum Star aufgestiegen ist.

Doch ihre Konkurrenz ist groß. Denn auch die beiden top gesetzten Profis in Hamburg, Ekaterina Alexandrova und Dayana Yastremska (Ukraine), wähnen sich nach ihren Siegen auf Titelkurs. Anders als die deutschen Spielerinnen: neben Korpatsch sind auch Tatjana Maria, Jule Niemeier, und Nastasja Schunk ausgeschieden. Damit hält Caroline Werner, die sich so grandios durch die Qualifikation gespielt hat, die deutschen Farben hoch. Sie tritt am Donnerstag gegen die an eins gesetzte Alexandrova an. Schwieriger geht es kaum. Tatjana Maria gegen Viktoriya Tomova, das bleibt aus Marias Sicht ärgerlich einseitig. Zum vierten Mal war sie gegen die Bulgarin angetreten, zum vierten Mal verlor die Deutsche: nun mit 3:6, 6:7. Maria kommentierte ihr Aus reflektiert und fair: „Sicher war die Auslosung nicht gut für mich, auch hatte ich vorher hier nur einmal auf Sand trainiert. Trotzdem – ich hatte meine Chancen, habe sie aber nicht genutzt. Zudem hat Viktoriya echt gut gespielt.“ Maria mag Tomova somit nicht so schnell wiedersehen wollen, den Rothenbaum sehr wohl: „Ich bin traurig, dass ich ausgeschieden bin. Denn das ist hier ein echt schönes Turnier. Im nächsten Jahr komme ich wieder.“

Auch Jule Niemeier konnte gegen die an zwei gesetzte Dayana Yastremska keinen Überraschungserfolg landen. Immer mal wieder gelang ihr ein toller Passierball – und schon brandete daraufhin dankbarer, ermutigender Applaus auf. Aber letztlich fehlte der Dortmunderin die Konstanz, um die Ukrainerin in Schwierigkeiten zu bringen. Noch im Vorjahr bei den US Open hatte Niemeier den Vergleich gewonnen – nun revanchierte sich Yastremska mit einem Zwei-Satz-Erfolg: 6:4 und 6:3.

Die Schunk-Show endete nach 105 packenden Minuten. Erst eine Wildcard hatte der Mainzerin Nastasja Schunk die Teilnahme ermöglicht: eine große Chance, um auf dem größten Sandplatz Center Court Deutschlands endlich eine große Duftmarke zu setzen. Und Schunk kämpfte leidenschaftlich um den Einzug ins Viertelfinale. Der Ungarin Dalma Galfi nahm sie souverän den ersten Satz ab (6:1), doch danach kippte die Partie, und Schunk verlor die nächsten beiden Durchgänge klar mit 3:6 und 2:6.

Gegen die holländische Qualifikantin Eva Vedder hatte Ekaterina Alexandrova kurzen Prozess gemacht. 6:0 und 6:3 in 59 Minuten. Wird ausgerechnet die Karlsruherin Caroline Werner nun zum Stolperstein für Alexandrova? Das wäre eine der größten Sensationen der jüngeren Tennis-Geschichte am Rothenbaum.

Am Donnerstag stehen insgesamt vier Achtelfinals an. Bevor Werner zum krönenden Abschluss Alexandrova herausfordert, spielen: Diane Parry (Frankreich) gegen Dayana Yastremska, Titelverteidigerin Anna Bondar (Ungarn) gegen Sinja Kraus (Österreich) und  Astra Sharma (Australien) gegen Viktoriya Tomova. Mit Alexandrova, Yastremska und Boisson sind drei der vier top gesetzten Profis (die vierte war Tatjana Maria) noch im Turnier.

„Eine Siegerin ist nicht zu tippen, die Leistungsdichte ist zu hoch“, sagt Tommy Haas. Der Hamburger und ehemalige Weltranglisten-Zweite bestreitet am Sonntag ein Exhibition-Match gegen Dominic Thiem, den US-Open-Sieger von 2020.